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Biedermeier – Heile Welt und Eleganz des Bürgertum, ca. 1810 – 1860

Entstanden war der Name aus zwei Gedichten mit den Titeln Biedermanns Abendgemütlichkeit und Bummelmaiers Klage, die Joseph Victor von Scheffel in diesem Blatt 1848 veröffentlicht hatte. Bis 1869 wurde Biedermaier geschrieben, erst danach kam die Schreibweise mit "ei" auf.

Der fiktive Herr Biedermeier war ein dichtender schwäbischer Dorflehrer mit einfachem Gemüt, dem laut Eichrodt seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen. In den Veröffentlichungen werden die Biederkeit, der Kleingeist und die unpolitische Haltung großer Teile des Bürgertums karikiert und verspottet Klare Konturen und Funktionalität Biedermeier ist gleichbedeutend mit Funktionalität. Alle Wohngegenstände sind vor allem auf ihren praktischen Nutzen ausgerichtet. Der völlige Verzicht auf überflüssige Schnörkel und Dekorationselemente wird ausgeglichen mit einer Hinwendung zu schlichter Pragmatik. Ist der Tisch groß genug für alle Familienmitglieder? Passt das gesamte Geschirr und alle Kleidungsstücke in den Schrank? Solche und ähnliche Fragen stehen bei Biedermeiermöbeln im Vordergrund.

Manchmal wirken die Möbel aufrund ihrer Gradlinigkeit auch sehr streng, sie können aber durch die passenden Elemente wieder aufgelockert werden. Ein schöner großer Blumenstrauß auf dem Tisch nimmt den Möbeln das Ernsthafte und sorgt für verspielte Heiterkeit. Die Tapeten passen sich den vorherrschenden Formen an, sie sind im Idealfall senkrecht gestreift und in zarten Pastelltönen gehalten. Auch die Accessoires sind auf die Biedermeier Originale abzustimmen, leichte Organzastoffe in dezenten Farbnuancen ergänzen die Möbelstücke.
Biedermeiermöbel bieten jenen Menschen, die es sich Zuhause gemütlich machen möchten die ideale Möglichkeit, Wohntradition und Wohntrend in ineinander zu vereinen. Biedermeier ist auch deshalb noch heute ein gern gesehener Möbelstil, weil er weder in die extreme Antike geht noch das kühle Moderne hat und trotzdem nicht 'altbacken' wirkt. Man könnte den Biedermeier als stilvolle Moderne bezeichnen, die mit Holz die nötige Wärme gibt und gleichzeitig edel aussieht.

Apothekerschrank, Biedermeier

Literatur zum Thema

Wolfgang L. Eller: Biedermeier-Möbel, Battenberg-Verlag, Regenstauf 2008, ISBN 978-3-86646-018-8
Johann Kräftner: Biedermeier im Haus Liechtenstein Wien, Prestel, Wien 2005, ISBN 3-7913-3496-4
Konstanze Mittendorfer: Biedermeier oder das Glück im Haus. Bauen und Wohnen in Wien und Berlin 1800-1850, Wien 1991
Hans Ottomeyer: Biedermeiers Glück und Ende. Die gestörte Idylle 1815-1848, Hugendubel, München 1987
Hans Ottomeyer/Klaus Albrecht Schröder/Laurie Winters (Hgg.): Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit, Hatje Cantz, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7757-1795-3
Gerhard Schildt: Aufbruch aus der Behaglichkeit. Deutschland im Biedermeier 1815-1847, Braunschweig 1989
Friedrich Sengle: Biedermeierzeit. Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution, 1815 - 1848, 2 Bände., Metzler, Stuttgart 1971+1972, ISBN 3-476-00182-2 + ISBN 3-476-00242-X
Michael Titzmann (Hg.): Zwischen Goethezeit und Realismus. Wandel und Spezifik in der Phase des Biedermeier, Niemeyer, Tübingen 2002 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 92), ISBN 3-484-35092-X
Angus Wilkie: Biedermeier. Eleganz und Anmut einer neuen Wohnkultur am Anfang des 19. Jahrhunderts, DuMont, Köln 1987