Gründerezeit – Stil im Kaiserreich von ca. 1871 - 1890
Die Gründerzeit fällt in die Epoche in Mitteleuropa, in der das Bürgertum die kulturelle Führung übernahm. Daher ist sie auch die große Zeit des klassischen Liberalismus, auch wenn dessen politische Forderungen nur teilweise und relativ am Ende dieses Zeitraumes umgesetzt wurden.
Der Wohlstand des Bürgertums beeinflusste die Wohnkultur. Der verbesserte Lebensstandard der Bürger sollte sichtbar werden. Was lag also näher, als sich am Einrichtungsstil des Adels zu orientieren? Die meist dunklen Möbel sollten möglichst repräsentativ sein und zeigten Anleihen aus der Renaissance, wie beispielsweise aufwändig verschnörkelte Säulen oder Aufsätze. So erinnerte das Haus eines Industriellen in der Einrichtung eher an das Schloss eines Adligen. Bereits über die Einrichtung gelang es so, den Bürgern ihr eigenes Selbstverständnis darzustellen.
Die Anleihen aus der Zeit der Renaissance drückten aber auch den Stolz und die Begeisterung der Bürger für vergangene Zeiten aus. Den Gründerzeitstil zählt man wegen des Aufgreifens vergangener Stile zum Historismus. Die Möbel sind meist aus Holz wie Nussbaum oder Eiche, und wirken oft schwer, beinahe klobig. Oft weisen sie zahlreiche Verzierungen auf.
Die einzelnen Dekorationsformen lehnten sich an historische Stilformen an, weshalb die Architektur dieser Prägung zusammenfassend als Historismus bezeichnet wird und Stile wie die Neugotik, Neorenaissance und den Neobarock umfasst.
Literatur
Rainer Haaff: Gründerzeit. Möbel und Wohnkultur, Westheim: Rhein-Verlag 1992. ISBN 3-9802812-1-3
Eberhard Roters: Aspekte der Gründerzeit. Ausstellungskatalog, Berlin: Akademie der Künste 1974
Richard Hamann / Jost Hermand: Gründerzeit, Akademie-Verlag, Berlin 1965